„Unsere Konkurrenz ist die Gasrechnung“

08 März 2023
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Andreas Cezanne

Welche Folgen haben die hohe Inflation und das steigende Zinsniveau für Lebensversicherer und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung? Darüber diskutierten Expertinnen und Experten aus Unternehmen und der Aufsicht bei der Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht. Aus der Perspektive eines Lebensversicherers skizzierte Dr. Normann Pankratz, Mitglied der Vorstände der Debeka Versicherungen, die Auswirkungen der steigenden Zinsen und der höheren Teuerungsrate. In der Zeit sehr niedriger Kapitalmarktzinsen seien in großem Umfang Bewertungsreserven für den Aufbau der Zinszusatzreserve herangezogen worden. Dies habe erheblich dazu beigetragen, dass die Kapitalanlagen jetzt nach dem Wiederanstieg der Zinsen saldierte stille Lasten aufwiesen, diese müssten zur Wahrung der Generationengerechtigkeit unmittelbar zurückgeführt werden, wenn die Zinszusatzreserve wieder frei wird, sagte der Debeka-Vorstand.

Nominale Garantien verlören durch die sehr hohe Inflation und den sprunghaften Zinsanstieg ökonomisch betrachtet an Wert, erläuterte Pankratz. „Daher sollten jetzt die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Versicherer Sicherungsvermögen während der Rentenphase auch fondsgebunden anlegen können“, forderte er.

Pankratz wies darauf hin, dass Inflation in vielen Vorsorgegesprächen ein Thema sei, im Wesentlichen jedoch nicht von den Kunden angesprochen werde, sondern vom Vermittler. Mit Blick auf Verschärfungen von Solvency II merkte er an, dass diese im aktuellen Marktumfeld harmlos aussähen und gut verkraftbar zu sein scheinen. „Eine schnelle Veränderung des Kapitalmarktumfelds ist aber nicht unwahrscheinlich – und dann ist die Gefahr sehr groß, dass das neue System zu hart wird“, warnte Pankratz und unterstrich: „Wir brauchen eine gut funktionierende Volatilitätsanpassung, um unserer Stabilisierungsfunktion nachkommen zu können.“

Unsicherheit führt zu Volatilität

Dr. Oliver Fries, Referatsleiter in der Versicherungsaufsicht der BaFin, wies auf die aktuell hohe Unsicherheit bezüglich der weiteren ökonomischen Entwicklung hin. Diese führe zu einer deutlichen Zunahme der Volatilität der Finanzmärkte und somit auch der Zinsen. „Versicherer sind gut beraten, wenn sie dies in ihrem Risikomanagement berücksichtigen. Insbesondere Unternehmen mit sehr zinssensitiven Portfolien sollten sich sowohl mit Szenarien weiter steigender Zinsen beschäftigen, als auch mit Szenarien, in denen die Zinsen wieder deutlich sinken“, mahnte der Aufseher. Die BaFin erwarte zudem ein vorausschauendes Aktiv-Passiv- und Liquiditätsmanagement, um die Auswirkungen möglicher deutlicher Stornoanstiege zu begrenzen. Die bisherigen Portfolioverkäufe an Run-off-Plattformen seien in erster Linie durch den Druck der Kapitalmärkte getrieben gewesen. In Zukunft sollte die Zahl solcher Transaktionen sinken, so Fries.

EbAVs: Marktwerte sinken

Die steigenden Zinsen und die anziehende Inflation wirken sich auch auf Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) aus. Die Marktwerte vieler Anlagen und damit auch die Risikotragfähigkeit zahlreicher Einrichtungen sinken stark. Betriebliche Pensionseinrichtungen hätten in diesem Umfeld durch den Rückhalt im Trägerunternehmen eine gute Perspektive durchzuhalten, erklärte Susanne Adelhardt, Vorstandsvorsitzende der Pensionskasse Degussa. Sie sollten jedoch nicht durch sich stetig verschärfende Aufsichtsmaßnahmen geschwächt werden, mahnte Adelhardt an.

Sie wies darauf hin, dass die Tarife von Pensionskassen auch im aktuellen Umfeld eine attraktive Möglichkeit seien, für das Alter vorzusorgen, da bei diesen Einrichtungen fehlende Gewinnerzielungsabsicht, professionelle Kapitalanlage und Skaleneffekte zusammenkämen und für Effizienz sorgten. Zurzeit wirke sich allerdings die allgemeine Teuerung negativ auf die Geschäftsentwicklung aus. „Unsere Konkurrenz sind aktuell nicht andere Anlageformen wie Banksparpläne. Unsere Konkurrenz ist die Gasrechnung“, machte Adelhardt deutlich.

Die steigende Inflation wird sich nach Ansicht der Vorstandsvorsitzenden in Form steigender Löhne und IT-Kosten auch auf die Pensionskassen auswirken. „Die Versicherten fragen aber bisher nicht nach deutlich stärkerem Inflationsschutz in unseren Zusagen beziehungsweise Tarifen“, erklärte Adelhardt. Sie unterstrich, dass die langfristige Kapitalanlage das Tagesgeschäft von Pensionskassen sei. „Dabei zeigt sich immer wieder, dass ein diversifiziertes Portfolio besser vor zu großen Auswirkungen durch den Kapitalmarkt schützt. Gleichzeitig werde auch langfristig eine stabile Rendite wahrscheinlicher, wenn nicht nur eine Assetklasse der Renditeträger ist“, sagte Adelhardt. Vor diesem Hintergrund sei es auch weiterhin für Pensionskassen essentiell, nicht nur langlaufende festverzinsliche Wertpapiere zu kaufen, da diese ein großes Klumpenrisiko darstellten.

EbAVs indirekt von Inflation betroffen

Für die BaFin erklärte Günther Weißenfels, Referatsleiter in der Versicherungsaufsicht, dass sich keine unmittelbaren Auswirkungen der Inflation auf EbAVs ergäben. Ihre Leistungen seien nicht an die Inflation gekoppelt. Mittelbar machte auch Weißenfels negative Auswirkungen auf die Kostenergebnisse der Einrichtungen aus. Anders sähe es bei den Erwartungen der Empfängerinnen und Empfänger von Versorgungsleistungen aus. „Es ist davon auszugehen, dass durch die gestiegenen Zinsen auch die Erwartung der Rentner an eine Überschussbeteiligung steigen werden“, sagte Weißenfels. Da der durchschnittliche Rechnungszins der Pensionskassen immer noch über dem risikolosen Zins liege, sei die Niedrigzinsumgebung noch nicht überwunden, machte der Aufseher deutlich. Überschussbeteiligungen sind nach Ansicht von Weißenfels insbesondere bei Tarifen mit niedrigerem Rechnungszins möglich. „Die BaFin wird genau darauf achten, ob sie gewährt werden können, ohne die dauerhafte Erfüllbarkeit der Verpflichtungen zu gefährden“, kündigte der Aufseher an.

Verwerfungen ähnlich wie bei britischen Pensionsfonds seien nach der Datenlage in Deutschland zuerst einmal nicht zu erwarten, berichtete Weißenfels. Im Vereinigten Königreich hatten die Haushaltspläne der ehemaligen Regierung Truss zu einem zeitweise starken Zinsanstieg geführt, wodurch dortige Pensionsfonds in Schieflage gerieten, weil sie höhere Sicherheiten für bestimmte Derivategeschäfte hinterlegen mussten. Die Zahlen der BaFin, erklärte Weißenfels, deuten darauf hin, dass Derivate von deutschen EbAVs nicht in einem mit dem Vereinigten Königreich vergleichbaren Umfang eingesetzt werden.

Quelle: BaFin



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