Von der Leyen im Vorfeld des G7-Gipfels

12 Juni 2021
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Wir haben eine sehr breite Tagesordnung. In diesen drei Tagen haben wir ein volles Programm. Daher möchte ich mich auf ein paar der Themen konzentrieren: Wir werden uns mit den wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise befassen. Natürlich werden wir uns auch mit dem internationalen Umfeld, dem regelbasierten System, befassen. Und wir werden uns mit dem weltweiten Bildungsstand, der Gesundheit – natürlich – und dem Klima befassen. Zur Wirtschaft: Zu Beginn werden wir als G7 erörtern, wie der aktuelle Stand ist, wie wir die Fortschritte in unseren Volkswirtschaften sehen und welcher Ansatz der Beste sein könnte. Wir haben nicht vergessen – Sie alle erinnern sich an das letzte Jahr –, wie bedrohlich diese Krise im Gesundheitsbereich für unsere Volkswirtschaften war und nach wie vor ist. Sie hatte das Potenzial, zu einer massiven Wirtschaftskrise zu werden. Interessanterweise haben wir in der Europäischen Union die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und der Krise viel besser bewältigt als beispielsweise im Vergleich zur letzten großen Krise, der Finanzkrise im Jahr 2008.

Warum? Weil die Europäische Union nach der letzten großen Krise die notwendigen Schlüsse gezogen und wirksame Instrumente entwickelt hat. Als diese Pandemie und diese Wirtschaftskrise auf uns einstürzten, konnten wir also sehr schnell eine Diagnose der wirtschaftlichen Folgen erstellen. Wir konnten uns zügig auf die notwendigen Abhilfemaßnahmen einigen. Und dann konnten wir energisch an allen Fronten handeln. Wenn Sie die Mitgliedstaaten betrachten, so haben wir diese in die Lage versetzt, rasch zu handeln, beispielsweise durch die allgemeine Ausweichklausel, den Befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen und die umfassende Flexibilisierung des EU-Haushalts. Und wir haben es auch der europäischen Ebene ermöglicht, entschlossen und rasch zu handeln, zunächst im Rahmen von SURE und jetzt mit NextGenerationEU.

In Bezug auf die G7 insgesamt ist es interessant zu sehen, dass die gesamte finanzielle und fiskalpolitische Unterstützung in der Europäischen Union – die Pläne oder die Maßnahmen für die Jahre 2020, 2021 und 2022 – zusammengenommen 18 % des BIP in Europa entspricht und wir uns damit auf gleicher Höhe bewegen wie die Vereinigten Staaten. Betrachtet man die Pläne der Vereinigten Staaten, so beläuft sich die fiskalische Unterstützung in den Jahren 2020, 2021 und 2022 auf 20 % des BIP. Wir werden dieses Thema sicherlich erörtern.

Der zweite wichtige Faktor, warum wir die aktuelle Krise besser bewältigen, ist, dass die Europäische Union, als die Krise begann, gerade ihre Pläne zu ihren Prioritäten aufgestellt hatte: der europäische Grüne Deal, die Digitalisierung und die Resilienz. Und die Krise hat uns in Bezug auf unsere Prioritäten recht gegeben. Daher fließen unsere Ausgaben in Investitionen in den ökologischen und den digitalen Wandel und in die Resilienz. Der Plan war vorhanden, die Wegskizze lag vor, und wir konnten sofort handeln.

Natürlich sind wir auch offene Volkswirtschaften, sodass unser Wohlstand von der Reaktion unserer Partner auf die Krise abhängen wird. Deswegen freue ich mich sehr auf den G7-Gipfel, der bestätigen wird, dass unsere Ansätze – insbesondere in Bezug auf die Fortsetzung der fiskalischen Unterstützung – weiter parallel verlaufen werden.

Nun zum zweiten Thema: Die G7 werden sich natürlich auch mit den Risiken und Bedrohungen in unserem internationalen Umfeld befassen, die der Erholung entgegenstehen. Hier sind zwei Punkte hervorzuheben: Zunächst die wirtschaftliche Resilienz. Auch hier haben wir in den vergangenen Monaten intern unsere Instrumente entwickelt, um uns vor Risiken zu schützen. Denn wir wollen eine offene Gesellschaft verteidigen, wir wollen am Wirtschaftsaustausch teilnehmen, aber nicht um jeden Preis. Denken Sie beispielsweise an die 5G-Toolbox, die Ausfuhrkontrollen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck oder die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen. Wir haben unseren Vorschlag vorgelegt, um wettbewerbsverzerrende drittstaatliche Subventionen zu blockieren.

Der zweite Punkt ist natürlich, dass wir unsere Werte gewahrt sehen wollen. Wir wünschen uns Zusammenarbeit, wir wünschen uns einen lebhaften Austausch, aber auf der Grundlage demokratischer Werte und auf der Grundlage der Grundrechte. Auch dafür haben wir in den vergangenen Monaten Instrumente entwickelt, z. B. die weltweite Sanktionsregelung im Bereich der Menschenrechte oder unseren künftigen Vorschlag für ein Instrument zur Bekämpfung von Zwangsmaßnahmen. Dazu gehört natürlich das gesamte Instrumentarium unseres auf den Menschen ausgerichteten Ansatzes für die digitale Welt. Wie Sie wissen, steht der Mensch im Mittelpunkt des Gesetzes über digitale Dienste, des Gesetzes über digitale Märkte und der Verordnung über Künstliche Intelligenz. China und Russland geben uns in diesen Bereichen besonderen Anlass zu Sorge. Daher sind sich die G7‑Länder endlich wieder einig und entschlossen, unsere Werte zu schützen und zu fördern.

Das nächste Thema, mit dem wir uns befassen werden, ist der beste Weg, wie wir unsere Werte verteidigen und fördern können. Das geht nur mit einem starken und regelbasierten Multilateralismus. Und dank der Rückkehr der Vereinigten Staaten auf die globale Bühne freuen wir uns sehr auf die Unterstützung der G7 für wirksame Maßnahmen zur Stärkung des Multilateralismus. Wir brauchen eine wirksame Regelsetzung in der WTO, und dazu gehört auch der Wille der G7, zur Reform der WTO und des gesamten regelbasierten Systems beizutragen.

Außerdem müssen wir unsere G7-Partnerschaft mit den Entwicklungsländern stärken. Beispielsweise in Bezug auf die Konnektivität, wie wir beispielsweise bereits mit Japan und Indien vereinbart haben. Die Koordinierung mit den G7-Partnern kann dazu beitragen, den Nutzen unserer Investitionen aus wirtschaftlicher Sicht, aber auch aus Sicht der Nachhaltigkeit und der Politik zu maximieren. Aber noch wichtiger als Investitionen in die Infrastruktur – und sie sind wichtig – sind Investitionen in Menschen.

Und dies bringt mich zum Schwerpunkt der G7 auf Bildung für Entwicklung. COVID-19 hat zu einer der schlimmsten Bildungskrisen der Geschichte für Kinder in der ganzen Welt geführt. Wir wissen, dass insbesondere Mädchen und junge Frauen durch die Pandemie gefährdet sind. Etwa 11 Millionen Mädchen von der Vorschule bis zur Sekundarschule laufen Gefahr, nicht in die Schule zurückzukehren, was schwerwiegende Folgen für ihr Leben nach sich zieht. Und dies ist ein bitteres Erbe von COVID-19. Wir müssen unsere Kräfte bündeln, um die Perspektiven junger Mädchen und Frauen zu sichern.

Daher unterstützt die Europäische Union nachdrücklich das Ziel, dass bis 2026 40 Millionen mehr Mädchen die Schule besuchen und dass 20 Millionen mehr Mädchen bis zum Alter von zehn Jahren oder am Ende der Grundschule lesen können. Dafür brauchen wir eine nachhaltige Finanzierung. Wir haben dafür die Globale Partnerschaft für Bildung. Diese benötigt, wie gesagt, eine nachhaltige Finanzierung. Daher freue ich mich, ankündigen zu können, dass die Europäische Kommission ihren Beitrag um 32 % erhöhen wird. Im Rahmen des letzten MFR hatten wir einen Beitrag von 68 Mio. EUR pro Jahr geleistet, d. h. 475 Mio. EUR über einen Zeitraum von sieben Jahren. Nun werden wir diesen Beitrag auf 100 Mio. EUR pro Jahr erhöhen, was einem Gesamtbetrag von 700 Mio. EUR über den MFR-Zeitraum von sieben Jahren entspricht.

Gleichzeitig vergessen wir nicht die dringendsten Bedürfnisse, nämlich den Kampf gegen den Hunger. Auch hier wird die Europäische Kommission neue humanitäre Mittel in Höhe von 250 Mio. EUR bereitstellen, um die akute Ernährungsunsicherheit in der Sahelzone, in Ostafrika, in der Zentralafrikanischen Republik, im Sudan und in Äthiopien zu bekämpfen.

Nun zum Thema Gesundheit. Wir unterstützen das Ziel der G7, die Pandemie bis 2022 zu beenden, indem wir die weltweite Impfung intensivieren. Die Europäische Union hat von Anfang an massiv dazu beigetragen. Sie kennen die Zahlen. Sobald die Impfstoffe verfügbar wurden, hat die Europäische Union gehandelt. Wir haben nicht nur von Anfang an gemeinsam mit unseren Freunden den ACT‑Accelerator und COVAX geschaffen, sondern haben auch massiv dazu beigetragen. Wir haben von Anfang an sichergestellt, dass die Impfung bei uns in Europa Hand in Hand mit Exporten in die übrige Welt geht.

Dazu haben wir gute Nachrichten. Bis zum heutigen Tag haben in Europa mehr als 50 % der erwachsenen Bevölkerung mindestens eine Impfdosis erhalten. Und noch besser: Bis heute wurden 100 Millionen Europäerinnen und Europäer vollständig geimpft. Das haben wir erreicht, ohne den Export zu stoppen. Von den 700 Millionen Dosen, die in der Europäischen Union seit Dezember letzten Jahres hergestellt wurden, wurden etwa 350 Millionen Dosen in mehr als 90 Länder exportiert. Und vor einigen Wochen habe ich auch andere aufgefordert, sich zu beteiligen und Offenheit zu beweisen. Ich freue mich sehr, dass der Entwurf des Kommuniqués dies jetzt widerspiegelt, und die möglichen Ankündigungen der Vereinigten Staaten sind sehr ermutigend.

Nach 2022 geht es nicht nur um das Teilen von Impfstoffen, sondern auch um den Ausbau der Produktionskapazitäten in Afrika. Sie wissen, dass Team Europe in der Tat Unterstützung in Höhe von 1 Mrd. EUR für den Ausbau der Produktionskapazitäten in Afrika angekündigt hat. In diesem Zusammenhang geht es nicht nur darum, die mRNA-Technologie für Impfstoffe gegen COVID-19 nach Afrika zu bringen, sondern auch darum, diese Technologie nach Afrika zu bringen, weil sie auch für die Bekämpfung anderer Infektionskrankheiten, z. B. Tuberkulose oder Malaria, sehr vielversprechend ist. Es spricht also sehr viel dafür, sicherzustellen, dass mehrere Fertigungszentren in verschiedenen Regionen Afrikas entstehen.

Schließlich zum Thema Klima: Wir haben uns verpflichtet, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Ich begrüße es, dass auch die G7-Länder in diese Richtung streben. Aber eines möchte ich sehr deutlich sagen: Selbst einer Welt, die nur 1,5 Grad Celsius wärmer ist als heute, wird es viel schlechter gehen als heute. Daher müssen Anpassungsmaßnahmen ein zentrales Element unserer Klimapolitik in der Europäischen Union, aber natürlich auch in unseren Partnerländern sein. Wir erkennen ihre besonderen Bedürfnisse an. Tatsächlich gibt die Europäische Union bereits etwa die Hälfte ihrer Entwicklungsfinanzierung für Projekte aus, die gleichzeitig die Entwicklung und die Anpassung an den Klimawandel unterstützen.

Aber darüber hinaus verfügen wir, wie Sie wissen, über die Klimaschutzfinanzierung. Daher unterstützen wir das Ziel der G7, jährlich 100 Mrd. USD für die Klimaschutzfinanzierung bereitzustellen. Team Europe hat in den letzten drei Jahren stets 25 Mrd. USD bereitgestellt. Und wir werden auch in diesem Bereich neue Zusagen bei der COP26 in Glasgow vorlegen.

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