Verordnung über die Übertragung von Strafverfahren zwischen den Mitgliedstaaten

11 April 2023

Mit diesem Vorschlag sollen die Vorschriften zur Übertragung von Strafverfahren innerhalb der EU harmonisiert werden. Die Mitgliedstaaten übertragen derzeit Strafverfahren untereinander mithilfe eines uneinheitlichen Geflechts von Rechtsinstrumenten. So haben beispielsweise lediglich 13 Mitgliedstaaten das Europäische Übereinkommen über die Übertragung der Strafverfolgung vom 15. Mai 1972 ratifiziert und wenden es an. Die meisten Mitgliedstaaten berufen sich daher auf Artikel 21 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959, wonach die Übertragung weitgehend ungeregelt ist und sich auf nationales Recht stützt. 1990 unterzeichneten die Mitgliedstaaten ein Übereinkommen über die Übertragung von Strafverfahren, das jedoch nicht in Kraft getreten ist.

Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, der die Art und Weise geändert hat, wie EU-Vorschriften im Bereich des Strafrechts vorgelegt und angenommen werden, wird über eine Maßnahme zur Übertragung von Verfahren beraten. Mit diesem Vorschlag werden die Ziele der EU-Strategie zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität erreicht, in der betont wird, dass die Übertragung von Strafverfahren ein wichtiges Instrument zur Verstärkung des Kampfes gegen organisierte kriminelle Gruppen, die in allen EU-Mitgliedstaaten tätig sind, darstellt.

Was sind die Ziele des Kommissionsvorschlags?

Gemeinsame Vorschriften zur Übertragung von Strafverfahren von einem Mitgliedstaat an einen anderen sind erforderlich, damit der am besten dafür geeignete Mitgliedstaat eine Straftat untersucht oder verfolgt. Sie sollen dazu beitragen, dass

unnötige parallele Verfahren zu demselben Sachverhalt und derselben Person in verschiedenen Mitgliedstaaten vermieden werden, die zu einem Verstoß gegen den Grundsatz führen könnten, dass eine Person wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden darf (Grundsatz ne bis in idem);
Fälle von Straflosigkeit, in denen die Übergabe auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls abgelehnt wird, vermieden werden.

Können Beschuldigte die Übertragung von Verfahren beantragen, oder ist dies den Strafverfolgungsbehörden vorbehalten?

Gemäß dem Vorschlag können Verdächtige oder Beschuldigte bei den zuständigen Behörden des ersuchenden oder des ersuchten Staates die Einleitung eines Verfahrens zur Übertragung eines Strafverfahrens beantragen. Ein derartiger Antrag verpflichtet den ersuchenden oder den ersuchten Staat jedoch nicht zur Übertragung des Strafverfahrens.

Wer ist für die Einleitung der Übertragung eines Strafverfahrens zuständig? Der Staat, der den Fall vor der Übertragung verfolgt, der Staat, an den das Verfahren übertragen wird, oder beide Staaten?

Dem Vorschlag zufolge hat der Staat, der das Strafverfahren durchführt, um die Übertragung dieses Verfahrens zu ersuchen. Der Staat, der das Strafverfahren übernehmen würde, kann sich jedoch mit dem Staat, der das Verfahren vor der Übernahme durchführt, darüber beraten, ob um Übertragung dieses Verfahrens ersucht werden soll.

Wie funktioniert das in der Praxis?

Vor der Übertragung des Verfahrens muss die Behörde, die das Verfahren durchführt, sorgfältig prüfen, ob die Übertragung des Strafverfahrens an einen anderen Mitgliedstaat auf der Grundlage der im Vorschlag genannten Kriterien erforderlich und angemessen ist. Die ersuchende Behörde muss auch den berechtigten Interessen der Verdächtigen oder Beschuldigten und der Opfer gebührend Rechnung tragen; sie sollte sich mit ihnen über die beabsichtigte Übertragung beraten, sofern die Umstände dies zulassen, ohne die Vertraulichkeit der Ermittlungen zu beeinträchtigen.

Beschließt die Behörde, ein Ersuchen um Übertragung des Verfahrens zu stellen, sollte sie das Formular im Anhang des Vorschlags ausfüllen, es in die Amtssprache des anderen Mitgliedstaats (oder in eine andere für diesen Mitgliedstaat annehmbare Sprache) übersetzen und das Ersuchen über das dezentrale IT-System übermitteln, das für die Übermittlung solcher Ersuchen eingerichtet wird.

Die ersuchte Behörde verfügt über eine Frist von 60 Tagen, um zu entscheiden, ob sie der Übertragung des Strafverfahrens zustimmt oder diese ablehnt. Lehnt sie die Übertragung des Verfahrens ab, muss sie dies begründen. Wird jedoch der Übertragung des Verfahrens zugestimmt, muss die ersuchende Behörde den Fall an die ersuchte Behörde des anderen Mitgliedstaats übertragen. Verdächtige/Beschuldigte und Opfer haben im ersuchten Staat das Recht auf wirksame Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung über die Zustimmung zur Übertragung des Strafverfahrens, wobei in bestimmten Fällen ein solcher Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung in Bezug auf das Übertragungsverfahren hat.

Wie bestimmt sich die Strafe für eine Straftat nach der Übertragung eines Verfahrens zwischen EU-Mitgliedstaaten?

Im Falle der Zustimmung zur Übertragung entscheiden die Behörden des ersuchten Staates, welche weiteren Maßnahmen im Einklang mit ihrem nationalen Recht zu ergreifen sind. Sie müssen die ersuchende Behörde über den Ausgang des übertragenen Verfahrens unterrichten. Die Strafe, die nach der Übertragung an den ersuchten Staat auf die Straftat anzuwenden ist, ist die im Recht des ersuchten Staates vorgesehene Strafe (sofern dieses Recht nicht etwas anderes bestimmt). Wurde die Straftat jedoch im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates begangen, so kann der ersuchte Staat die Anwendung der im Recht des ersuchenden Staates vorgesehenen Höchststrafe in Betracht ziehen. Die im Recht des ersuchenden Staates vorgesehene Höchststrafe sollte immer berücksichtigt werden, wenn die Zuständigkeit des ersuchten Staates ausschließlich auf dem gegenwärtigen Vorschlag beruht.

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