Sparkassen und VR-Banken verlieren ihre jungen Kunden

03 November 2016

Fast alle Kinder und Jugendlichen haben ihr erstes Konto bei Sparkassen oder Volks- und Raiffeisenbanken. Trotzdem kehren rund die Hälfte der jungen Kunden ihrer Bank bis Mitte 30 den Rücken. Die meisten wechseln zu einem Geldinstitut mit kostenlosem Girokonto. Dies sind die wesentlichen Ergebnisse einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung mm1 Consulting & Management in Zusammenarbeit mit einem Marktforschungsinstitut. Die Abwanderung der jungen Generation sehen die Sparkassen und VR-Banken selbst kritisch, denn die Zukunft ihres Privatkundengeschäftes ist gefährdet. „Die Wettbewerber punkten mit guten Konditionen und hoher Kundenzufriedenheit. Insbesondere in den Bereichen Kundenangebote/Preise, Kundennähe, Vertriebsmodell und Kostenstruktur müssen die Sparkassen und Banken jetzt handeln“, macht Rainer Lindenau, geschäftsführender Partner bei mm1 Consulting & Management, deutlich.

Hauptgrund der Kundenabwanderung sind die Kosten Mehr als 600 Kunden im Alter von 18 bis 37 Jahren wurden detailliert zu ihren Bank-verbindungen befragt. Der Fokus lag dabei auf dem Girokonto als Kernprodukt der Kundenbeziehung. Das wesentliche Ergebnis der Umfrage: Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken verlieren massiv bei jungen Kunden. Bei jungen Berufstätigen von 27 bis 37 Jahren, die Online-Banking nutzen – und das sind laut Umfrage 90 Prozent der Kunden –, beträgt der gemeinsame Marktanteil der beiden Institutsgruppen weniger als 50 Prozent. Die Direktbanken und andere Filialbanken kommen gemeinsam auf mehr als die Hälfte der Kunden.

Die Entwicklung ist für die Sparkassen und VR-Banken besonders kritisch, da fast alle als Jugendliche einmal ihre Kunden waren. Der Hauptgrund der Kundenabwanderung sind die Kosten. Günstigere Konditionen – insbesondere das kostenlose Girokonto – sind mit über 70 Prozent der mit weitem Abstand wichtigste Wechselgrund. Dies erklärt auch den Marktanteilsverlust in der Altersgruppe von 27 bis 37 Jahren. Die meisten Kunden sind in diesem Alter berufstätig und das Girokonto bei den Sparkassen und VR-Banken damit kostenpflichtig. Die Funktion Online-Banking spielt als Wechselgrund kaum eine Rolle – sie wurde bei anderen Banken nicht als besser wahrgenommen.

Ein weiteres Ergebnis der Umfrage ist, dass die Sparkassen und VR-Banken auch in Sachen Bestandskundenpflege und Kundenrückgewinnung noch Nachholbedarf haben. So gab es in knapp der Hälfte der Fälle keine Reaktion auf die Kündigung ihrer Kunden, in einem Viertel wurde nur ein Standardbrief versandt.

Handlungsempfehlungen zur Kundenrückgewinnung

Auf Basis der Umfrageergebnisse gibt mm1 Handlungsempfehlungen, wie die Abwanderung junger Kunden deutlich verringert werden kann:

* Kundenangebote und Preise: Solange Wettbewerber in der Breite kostenfreie Girokonten anbieten, kommen Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken nicht umhin, für junge Berufstätige vergleichbare Angebote auf den Markt bringen – hier sind kreative Lösungen gefragt, die nicht zu Preissenkungen im gesamten Kunden-bestand führen.
* Kundennähe und Kundenerlebnis: Die Sparkassen und Genossenschaftsbanken müssen ihren eigenen Anspruch der Kundennähe wahrmachen: mit mehr und unkomplizierten Kundenkontakten entlang des Kundenlebenszyklus, einem besseren Kundenverständnis und einer systematischen Kündigerrückgewinnung.
* Beratungs- und Vertriebsmodell: Eine Neuausrichtung des Beratungs- und Vertriebsmodells ist erforderlich, denn der klassische Filialfokus ermöglicht die höhere Kontakthäufigkeit nicht. Eine höhere Kontakthäufigkeit gelingt nur mit einem deutlichen Ausbau telefonischer und elektronischer Interaktionen (zum Beispiel E-Mail) – dies entspricht auch den Erwartungen der jungen Kunden (57 Prozent der Kunden besuchen Filialen gar nicht mehr oder höchstens einmal pro Jahr)
* Kostenstruktur: Damit einher geht eine deutliche Senkung der Kosten je Kunde, um die erforderlichen Spielräume für neue Angebote zu schaffen und die Umsatzrückgänge im Niedrigzinsumfeld bestmöglich zu kompensieren. Dies wird vermutlich deutlich über bereits angekündigte Filialschließungen hinausgehen.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *