Neue Vorschriften für eine zukunftsfähige wirtschaftspolitische Steuerung

27 April 2023

Die Kommission hat Legislativvorschläge vorgelegt, um die umfassendste Reform der EU-Vorschriften zur wirtschaftspolitischen Steuerung seit der Wirtschafts- und Finanzkrise umzusetzen. Die Vorschläge zielen darauf ab, die Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung zu verbessern und zugleich in allen Mitgliedstaaten ein nachhaltiges und integratives Wachstum durch Reformen und Investitionen zu fördern. Mit den Vorschlägen werden Mängel im derzeitigen Rahmen behoben. Sie tragen der Notwendigkeit Rechnung, die stark gestiegenen öffentlichen Schuldenstände abzubauen, auf den Lehren aus der politischen Reaktion der EU auf die COVID-19-Krise aufzubauen und die EU auf künftige Herausforderungen vorzubereiten, indem Fortschritte auf dem Weg zu einer grünen, digitalen, inklusiven und widerstandsfähigen Wirtschaft gefördert werden und die EU wettbewerbsfähiger gemacht wird.

Die neuen Vorschriften werden notwendige Reformen und Investitionen erleichtern und dazu beitragen, die hohen öffentlichen Schuldenquoten auf realistische und nachhaltige Weise schrittweise zu senken, wie es Präsidentin von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union 2022 gefordert hatte. Die Reform wird die wirtschaftspolitische Steuerung vereinfachen, die nationale Eigenverantwortung stärken, einen deutlicheren Fokus auf eine mittelfristige Perspektive legen und die Durchsetzung verbessern – dies alles in einem transparenten gemeinsamen EU-Rahmen.

Die Vorschläge sind das Ergebnis einer längeren Reflexionsphase und eines breit angelegten Konsultationsprozesses.

Mehr nationale Eigenverantwortung mit umfassenden mittelfristigen Plänen auf Basis gemeinsamer EU-Vorschriften

Eckpfeiler der Kommissionsvorschläge sind nationale Pläne, in denen die Mitgliedstaaten ihre mittelfristig geplanten strukturellen finanzpolitischen Maßnahmen darlegen. Die Mitgliedstaaten werden Pläne ausarbeiten und vorlegen, in denen ihre Haushaltsziele, Maßnahmen zur Beseitigung makroökonomischer Ungleichgewichte sowie vorrangige Reformen und Investitionen über einen Zeitraum von mindestens vier Jahren dargelegt sind. Diese Pläne werden von der Kommission bewertet und vom Rat auf der Grundlage gemeinsamer EU-Kriterien gebilligt.

Dass Haushalts-, Reform- und Investitionsziele in einem einzigen mittelfristigen Plan zusammengeführt werden, wird dazu beitragen, ein stimmiges und schlankes Verfahren zu schaffen. Die nationale Eigenverantwortung wird gestärkt, indem den Mitgliedstaaten mehr Spielraum bei der Festlegung ihrer eigenen haushaltspolitischen Anpassungspfade sowie bei den Reform- und Investitionszusagen eingeräumt wird. Die Mitgliedstaaten werden jährliche Fortschrittsberichte vorlegen, um eine wirksamere Überwachung und Durchsetzung der Umsetzung dieser Zusagen zu erleichtern.

Das neue Verfahren der haushaltspolitischen Überwachung wird in das Europäische Semester integriert, das der zentrale Rahmen für die Koordinierung der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik bleibt.

Einfachere Regeln, die unterschiedliche haushaltspolitische Herausforderungen berücksichtigen

Die haushaltspolitische Ausgangslage, die Herausforderungen und die wirtschaftlichen Aussichten in den 27 EU-Mitgliedstaaten sind sehr unterschiedlich. Daher gibt es keinen Ansatz, der pauschal für alle passt. Die Vorschläge zielen auf einen Übergang hin zu einem stärker risikobasierten Überwachungsrahmen ab, bei dem die Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung im Mittelpunkt steht, während ein nachhaltiges und integratives Wachstum gefördert wird. Dieser Ansatz wird sich an einem transparenten gemeinsamen EU-Rahmen orientieren.

Die Mitgliedstaaten werden in ihren Plänen ihre haushaltspolitischen Anpassungspfade darlegen. Diese werden in Form mehrjähriger Ausgabenziele formuliert, die der alleinige operative Indikator für die haushaltspolitische Überwachung sein werden – was die Haushaltsregeln vereinfacht.

Für jeden Mitgliedstaat mit einem öffentlichen Defizit von über 3 % des BIP oder einem öffentlichen Schuldenstand von über 60 % des BIP legt die Kommission einen länderspezifischen „technischen Kurs“ vor. Mit diesem Kurs soll sichergestellt werden, dass der Schuldenstand auf einen plausibel rückläufigen Pfad gebracht wird oder auf einem dem Vorsichtsgebot entsprechenden Niveau verharrt und dass das Defizit mittelfristig auf unter 3 % des BIP zurückgeführt und gehalten wird.

Mitgliedstaaten, deren öffentliches Defizit unter 3 % des BIP und deren öffentlicher Schuldenstand unter 60 % des BIP liegt, stellt die Kommission technische Informationen zur Verfügung, um sicherzustellen, dass das öffentliche Defizit auch mittelfristig unter dem Referenzwert von 3 % des BIP gehalten wird.

Der technische Kurs und die technischen Informationen dienen den Mitgliedstaaten als Richtschnur bei der Festlegung der mehrjährigen Ausgabenziele, die sie in ihre Pläne aufnehmen.

Um die Schuldentragfähigkeit zu gewährleisten, werden gemeinsame Schutzvorkehrungen gelten. Die Referenzwerte von 3 % und 60 % des BIP für Defizit und Schuldenstand bleiben unverändert. Das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum BIP muss am Ende des durch den Plan abgedeckten Zeitraums niedriger sein als zu Beginn; und eine Mindest-Haushaltsanpassung von 0,5 % des BIP pro Jahr als Richtwert muss umgesetzt werden, solange das Defizit über 3 % des BIP liegt. Darüber hinaus müssen Mitgliedstaaten, die von einem verlängerten Zeitraum für die Haushaltsanpassung profitieren, sicherstellen, dass die Konsolidierungsanstrengungen nicht auf spätere Jahre verschoben werden.

Allgemeine und länderspezifische Ausweichklauseln ermöglichen Abweichungen von den Ausgabenzielen im Falle eines schweren Konjunkturabschwungs in der EU oder im Euro-Währungsgebiet insgesamt oder im Falle außergewöhnlicher Umstände, die sich der Kontrolle des Mitgliedstaats entziehen und erhebliche Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen haben. Der Rat wird auf Grundlage einer Empfehlung der Kommission über die Aktivierung und Deaktivierung dieser Klauseln entscheiden.

Reformen und Investitionen für die EU-Prioritäten erleichtern

Sowohl Reformen als auch Investitionen sind von entscheidender Bedeutung. Der ökologische und digitale Wandel, die Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Widerstandskraft und die Notwendigkeit, die Sicherheitskapazitäten Europas zu stärken, werden in den kommenden Jahren umfangreiche und nachhaltige öffentliche Investitionen erfordern. Reformen, die ein nachhaltiges und integratives Wachstum fördern, sind nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil glaubwürdiger Pläne zum Schuldenabbau. Die Vorzüge der positiven Wechselwirkung zwischen Reformen und Investitionen zeigen sich bereits im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität von NextGenerationEU.

Daher zielen die Vorschläge darauf ab, die Umsetzung wichtiger Reform- und Investitionsmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten zu erleichtern und zu fördern. Verpflichten sich die Mitgliedstaaten in ihren Plänen zu einer Reihe von Reformen und Investitionen gemäß spezifischen und transparenten Kriterien, so profitieren sie von einem stärker abgestuften haushaltspolitischen Anpassungspfad.

Eine wirksame Durchsetzung gewährleisten

Vorschriften müssen auch durchgesetzt werden. Wenngleich die Vorschläge den Mitgliedstaaten mehr Kontrolle über die Gestaltung ihrer mittelfristigen Pläne geben, werden auch striktere Regeln zur Durchsetzung eingeführt, um sicherzustellen, dass die Länder die Zusagen in ihren mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Plänen einhalten. Bei Mitgliedstaaten, deren Schuldenstand eine erhebliche Herausforderung darstellt, führen Abweichungen vom vereinbarten haushaltspolitischen Anpassungspfad standardmäßig zur Einleitung eines Defizitverfahrens.

Werden die Reform- und Investitionsverpflichtungen, die eine Verlängerung des Zeitraums für die Haushaltsanpassung rechtfertigen, nicht eingehalten, könnte dies zu einer Verkürzung des Anpassungszeitraums führen.

In dieser für die EU-Wirtschaft entscheidenden Zeit ist eine rasche Einigung über die Reform der EU-Haushaltsregeln und anderer Aspekte des wirtschaftspolitischen Steuerungsrahmens eine dringende Priorität. Der Rat hat in auch vom Europäischen Rat gebilligten Schlussfolgerungen zum Abschluss der legislativen Arbeit noch im laufenden Jahr aufgerufen. Um auf die anstehenden Herausforderungen angemessen reagieren zu können, fordert die Kommission das Europäische Parlament und den Rat auf, so rasch wie möglich eine Einigung über die heute vorgelegten Legislativvorschläge zu erzielen.

Hintergrund

Der Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung der EU umfasst den haushaltspolitischen Rahmen der Union (den Stabilitäts- und Wachstumspakt und die Anforderungen für die nationalen haushaltspolitischen Rahmen) und das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht, die im Rahmen des Europäischen Semesters für die wirtschaftspolitische Koordinierung umgesetzt werden, sowie den Rahmen für makroökonomische Finanzhilfeprogramme.

Die heute vorgelegten Legislativvorschläge folgen auf Beratungen über die im Februar 2020 eingeleitete Überprüfung des Rahmens für die wirtschaftspolitische Überwachung. Die Interessenträger trugen über verschiedene Foren, darunter eine öffentliche Online-Umfrage, umfassend zur Debatte über die Zukunft des Rahmens bei. Die Kommission fasste die wesentlichen Erkenntnisse der Online-Konsultation in einem im März 2022 veröffentlichten Bericht zusammen. Die eingegangenen Reaktionen lieferten einen wertvollen Beitrag zu den Reformvorschlägen der Kommission.

Im November 2022 legte die Kommission Leitlinien für einen reformierten EU-Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung vor. Im März 2023 nahm der Rat „Wirtschaft und Finanzen“ (Ecofin-Rat) Schlussfolgerungen zu den Leitlinien der Kommission an, die anschließend vom Europäischen Rat gebilligt wurden.

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