Finanztransaktionssteuer soll Grundrente finanzieren Kleinanlegern droht Steuerschock: Warum Scholz‘ Aktien-Steuer die Falschen trifft

12 März 2020

Melchior Poppe

Mit der Grundrente beschenkt die GroKo einmal mehr deutsche Rentner. Bezahlen sollen diesmal ausgerechnet diejenigen, die eigenständig vorsorgen: Mit seinem Entwurf für das Finanztransaktionsgesetz nimmt Olaf Scholz (SPD) Aktien großer Unternehmen ins Visier – also diejenigen Wertpapiere, die Kleinanleger gerne nehmen. Nach jahrelangen Verhandlungen hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) einen Gesetzentwurf für eine europäische Finanztransaktionssteuer vorgelegt. Der Entwurf sieht vor, dass zunächst zehn Länder eine Steuer auf Aktienkäufe einführen.  Aktien großer Unternehmen mit Hauptsitz in einem dieser Länder kauft, soll demnach künftig eine Steuer von 0,2 Prozent ans Finanzamt entrichten. Dies soll aber nur für Aktien von Unternehmen mit einem Börsenwert von mehr als einer Milliarde Euro gelten. In Deutschland sind das laut Ministerium 145 Aktiengesellschaften.

„Wir sind jetzt erstmals seit 2011 so weit, dass wir eine Vereinbarung erreichen können“, schrieb Scholz seinen europäischen Amtskollegen. Im Oktober hatten die Minister Scholz gebeten, einen Vorschlag vorzulegen. Die Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer sollen in Deutschland zur Finanzierung der Grundrente dienen – darauf hatte sich die große Koalition bereits im November verständigt. Das Finanzministerium rechnet mit Einnahmen von rund 1,5 Milliarden Euro. Aber während die GroKo vielen Rentnern das nächste Geschenk in Aussicht stellt, stößt sie andere vor den Kopf. Die Finanzierung der Rente auf Basis des Umlageverfahrens bereitet jetzt schon zunehmend Probleme, so dass Steuerzahler immer stärker in die Pflicht genommen werden. So auch diesmal.

Scholz bestraft ausgerechnet Kleinanleger

Damit nicht genug: Wird der Entwurf ohne Änderungen umgesetzt, würden ausgerechnet diejenigen bestraft, die sich privat um die Altersvorsorge kümmern und dabei auf den einzigen Weg setzen, der gerade in Zeiten von Niedrigzinsen noch Rendite verspricht: Aktien.

Private Vorsorge – das war eine zentrale Forderung auch der SPD an die Bürger, als sie zu Beginn des Jahrtausends das Rentensystem umbaute. Die anhaltende Niedrigzinsphase macht konservative Formen der Geldanlage wie das Sparbuch jedoch sinnlos. Selbst bei den vom Staat geförderten Produkten wie der Riesterrente bekommen Sparer am Ende häufig nur noch das wieder heraus, was sie eingezahlt haben.

Gerade die Aktien großer Konzerne eigenen sich für Altersvorsorge

Einzig an der Börse lassen sich noch Renditen erzielen, die zumindest die Inflation ausgleichen und vielleicht auch ein kleines Plus an Kaufkraft ermöglichen, betonen Experten immer wieder. Dabei sind gerade die Aktien großer Konzerne eine für Börsenverhältnisse vergleichsweise sichere Investition, die sich für Kleinanleger oder als Investition für die Altersvorsorge eignen. Ausgerechnet hier will die Regierung jetzt die Hand aufhalten.

Hinzu kommt, dass Börsen-Laien gerne zu Fonds oder ETFs greifen. Hier wird das Geld der Sparer auf möglichst viele Titel verteilt, die ständig neu hinzugekauft werden. Dabei spielen vor allem solche Werte eine Rolle, die dank einer gewissen Firmengröße Stabilität versprechen und deshalb in den Indizes enthalten sind, die die ETFs bevorzugt abbilden. Immerhin, so sieht es der Entwurf vor, sollen die Regierungen die Möglichkeit erhalten, Renten- und Pensionsfonds von der Steuer auszunehmen.

Bei Begründung weicht Scholz aus und zeigt auf Frankreich

Warum Scholz aber ausgerechnet kleine Firmen verschont und stattdessen die großen Werte im Visier hat, wird aus den Ankündigungen nicht ersichtlich. Schließlich eignen sich kleine Firmen viel eher für risikofreudige Spezialisten oder Spekulanten mit Spielgeld.

Auf eine entsprechende Anfrage verwies das Finanzministerium gegenüber FOCUS Online auf die Erklärung von Minister Scholz, mit der er seinen Entwurf am Mittwoch vorstellte. Dabei wich Scholz einer inhaltlichen Begründung allerdings aus. Er sagte lediglich, dass er mit seinem Entwurf dem Beispiel Frankreichs folge.

„Einzelne Länder werden sicher mehr machen“

Tatsächlich besteuert der französische Staat seit 2012 den Erwerb von Wertpapieren börsennotierter Unternehmen, die ihren Hauptsitz in Frankreich haben und die über eine Marktkapitalisierung von mehr als einer Milliarde Euro verfügen. Zugleich betonte Scholz, sein Entwurf lasse den einzelnen Ländern einen gewissen Spielraum, seine Regelung den eigenen Bedürfnissen entsprechend abzuändern. „Einzelne Länder werden sicher mehr machen“, so Scholz.

Das klingt wie eine vage Andeutung darauf, dass Deutschland weitere Finanzprodukte besteuern könnte. Allerdings ist keine Rede davon, dass einzelne Länder auch weniger statt mehr machen dürfen, beispielsweise Kleinanleger oder solide Finanzprodukte von der Steuer ausnehmen.

„Steuer trifft nicht Finanzspekulanten sondern Aktiensparer“

Stattdessen sollen ausgerechnet Derivate von der Steuer ausgenommen werden – obwohl sie zu den stark spekulativen Finanzprodukten gehören. Diese waren das ursprüngliche Ziel einer europäischen Finanztransaktionssteuer. Doch davon ist nun nichts mehr übrig, wie Kritiker betonen. „Die Finanztransaktionssteuer in der von Bundesfinanzminister Scholz nun geplanten Form trifft nicht – wie ursprünglich vorgesehen – Finanzspekulanten, sondern vor allem Aktiensparer“, kritisierte Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU).

„Nur den Aktienhandel zu besteuern und Derivate zu verschonen, torpediert die Ursprungsidee der Steuer“, erklärte Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Joachim Pfeiffer, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), „vor allem der kleine Mann würde letztlich diese Steuer zahlen müssen“. Die „ohnehin entwicklungsbedürftige Aktienkultur“ in Deutschland würde weiter geschwächt.

Außerdem sei die Finanztransaktionssteuer „pures Gift für den Investitions- und Finanzstandort Deutschland“, so Pfeiffer weiter. Unternehmen würden ihre Aktivitäten in Staaten ohne eine solche Steuer verlagern. „Es käme also zu Ausweichreaktionen dorthin und würde Standorte außerhalb stärken, insbesondere die City of London“, so Pfeiffer.

Steuer könnte sogar bei Aktienkauf im Ausland fällig werden

Scholz hingegen verwies in seiner Erklärung darauf, dass nicht nur in Frankreich, sondern auch in Italien und nicht zuletzt in London bereits eine Finanztransaktionssteuer fällig werde. Außerdem erfolgt die Besteuerung französischer Wertpapiere in Frankreich unabhängig vom Ort der Transaktion. Das heißt bei der Berechnung der Steuer berücksichtigt der Fiskus auch Transaktionen an ausländischen Börsenplätzen. Sollte sich Scholz komplett am französischen Vorbild orientieren, verliert das Standort-Argument seiner Kritiker also an Kraft.

Aber welche Kniffe der Minister auch anwendet, um sich beim Thema Finanztransaktionssteuer nicht angreifbar zu machen – bei der Generationengerechtigkeit hat er ein argumentatives Problem: Um die Grundrente zu finanzieren, wird die Altersvorsorge für die jüngere Generation erschwert. Spekulanten hingegen können ihren windigen Geschäften nachgehen wie zuvor.

Von FOCUS-Online-Redakteur Melchior Poppe.

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