Erklärung von Präsidentin von der Leyen mit Olaf Scholz

12 Dezember 2021

ich freue mich sehr, lieber Herr Scholz, Sie hier als deutscher Bundeskanzler bei der Europäischen Kommission begrüßen zu dürfen. Wir kennen uns ja persönlich schon seit einigen Jahren und haben gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet. Das hilft jetzt natürlich auch in der neuen Rolle. Deutschland war und ist immer sehr wichtig für die Entwicklung unserer Gemeinschaft. Die deutschen Kanzler die deutsche Kanzlerin haben stets einen sehr prägenden Einfluss. Und deshalb ist Ihr frühzeitiger Besuch, hier bei der Europäischen Kommission, für uns alle ein sehr ermutigendes Signal. Es zeigt, welch hohen Stellenwert die neue deutsche Regierung dem Thema Europa auch widmet. Wenn man in den Koalitionsvertrag schaut, dann sieht man, dass da ein sehr starkes Europakapitel ist und dass sich das Thema eigentlich durch den ganzen Koalitionsvertrag zieht. Wir freuen uns auf Ihre G7-Präsidentschaft, die ja gleich dann am 1 Januar losgeht.

Ich kann von meiner Warte zusichern, dass die Kommission bereit steht für eine sehr enge, gute, intensive Zusammenarbeit. Wir haben einige Themen heute auf der Agenda. Das geht natürlich los bei dem Thema Bekämpfung der Pandemie. Wir haben jetzt mit der vierten Welle in mehreren Mitgliedsstaaten den höchsten Anstieg an Infektionen, der je gemessen worden ist. Wohlbemerkt, wir dürfen nicht vergessen: Das ist fast überwiegend die Delta-Variante. Im Hintergrund ist aber Omikron. Und die Omikron-Variante ist inzwischen in jedem Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Während die Wissenschaft sich noch nicht einig ist über die Frage der Schwere dieser Omikron-Variante, so ist doch schon aus den Daten sehr wohl sichtbar, dass sie eine höhere Infektiosität hat, dass die Übertragbarkeit deutlich höher ist. Wenn man sich die Verdoppelungsrate anschaut, dann liegt sie bei zwei bis drei Tagen und das ist rasant. Und deshalb ist – das möchte ich betonen – die Dreifach-Impfung mit Abstand der derzeit beste verfügbare Schutz gegen diese Krankheit. Und es ist auch sehr erfreulich zu sehen, dass in Deutschland ganz konsequente Schritte unternommen werden, um die Impfrate zu erhöhen.

Wir werden unsere Prioritäten besprechen, das ist der Europäische Green Deal. Da ist gerade Deutschland, als das größte Industrieland in Europa, wichtig, weil es eine Vorbildfunktion hat, um zu zeigen wie die Transformation zu einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft gehen kann. Und natürlich setze ich auch darauf, dass Deutschland uns unterstützt bei dem Gesetzespaket, dem Kerngesetzespaket für den Europäischen Green Deal, „Fit for 55“, das jetzt auf der Agenda steht, und, dass Deutschland Vorreiter ist beim Ausbau der erneuerbaren Energien.

Der zweite Schwerpunkt ist für uns die Digitalisierung. Auch da, mit Blick in den Koalitionsvertrag, ist es sehr erfreulich, dass klare Unterstützung für den Europäischen Chips Act, Halbleiter, signalisiert wird und den Digital Markets Act. Für uns ist wichtig, dass dieses Gesetzespaket, was wir jetzt in der französischen Präsidentschaft auf den Weg bringen, DSA und DMA, die Abkürzungen, die weltweite, digitale Ordnung sicherlich prägen wird. Denn es geht einerseits um die Regeln für die Inhalte auf den großen Plattformen und es geht um fairen Wettbewerb, insbesondere für kleinere Anbieter gegenüber den großen Plattformen. Für uns ist wichtig, dass diese Standards durch Europa weltweit geprägt werden und nicht durch andere Regionen der Welt.

Schließlich und endlich, der dritte große Komplex, den wir besprechen werden, ist die Außenpolitik, wo es enorm darauf ankommt, ein enges Zusammenspiel zwischen Europa und den Hauptstädten zu haben. China ist zum Beispiel für uns sicherlich Verhandlungspartner bei Klimafragen. Es ist ein harter Wettbewerber, wenn es um Wirtschaftsfragen geht, und es ist in Fragen der Staats- und Gesellschaftsordnung, ohne Zweifel, ein systemischer Rivale.

Wir werden auch das Thema Russland und die militärischen Aktivitäten an der Grenze zur Ukraine miteinander besprechen. Wir erwarten, dass Russland deeskaliert und jegliche Aggressionen gegenüber seinen Nachbarn unterlässt und die Rechte souveräner Staaten achtet. Andernfalls ist die Europäische Union bereit, nicht nur die bestehenden Sanktionen zu verschärfen, sondern auch neue, spürbare Maßnahmen zu ergreifen, in anderen Feldern von Wirtschaft bis Finanzen. Jeder unserer Schritte ist immer eng abgestimmt mit unseren Partnern. Damit das ganz klar ist: Wir möchten ein gutes Verhältnis zu Russland, aber ob das möglich ist, hängt zu allererst vom Verhalten Russlands ab. Zurzeit wählt Russland eher ein Bedrohungsszenario gegenüber seinen Nachbarn und untergräbt damit auch die Frage der Sicherheit Europas. Sie sehen also, wir haben ein breites Portfolio an Themen miteinander zu besprechen.

Noch einmal, herzlich willkommen Herr Bundeskanzler.

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