550 Mio. EUR und bedingten Zahlungsmechanismus von bis zu 1,45 Mrd. EUR zur Unterstützung von ThyssenKrupp Steel Europe

27 Juli 2023
Datenbank

Die Europäische Kommission hat nach den EU-Beihilfevorschriften zwei deutsche Maßnahmen genehmigt, mit denen ThyssenKrupp Steel Europe („tkSE“) dabei unterstützt werden soll, seine Stahlproduktionsprozesse zu dekarbonisieren und rascher auf erneuerbaren Wasserstoff umzustellen. Die Maßnahmen werden die Verwirklichung der Ziele der EU-Wasserstoffstrategie, des europäischen Grünen Deals und des Industrieplans für den Grünen Deal unterstützen und im Einklang mit dem REPowerEU-Plan dazu beitragen, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland zu beenden und den ökologischen Wandel rasch voranzubringen. Deutschland hat bei der Kommission eine geplante Unterstützung von tkSE bei der Dekarbonisierung seiner Stahlproduktionsprozesse am Standort Duisburg und dem rascheren Übergang des Unternehmens zu erneuerbarem Wasserstoff angemeldet.

Die Beihilfen sollen tkSE in Form i) eines Direktzuschusses von bis zu 550 Mio. EUR zur Unterstützung der Dekarbonisierung seiner Stahlproduktion und ii) eines an Bedingungen geknüpften Zahlungsmechanismus zur Unterstützung des rascheren Übergangs zu erneuerbarem Wasserstoff in der Stahlproduktion gewährt werden.

Mit dem Direktzuschuss werden Bau und Montage einer Direktreduktionsanlage und zweier Einschmelzer in Duisburg gefördert, die einen bestehenden Hochofen ersetzen sollen. Anfangs soll zwar noch Erdgas für den Betrieb der neuen Direktreduktionsanlage verwendet werden, doch soll das Gas dann bis 2037 vollständig durch erneuerbaren Wasserstoff ersetzt werden.

Der Mechanismus der an Bedingungen geknüpften Zahlungen soll in den ersten zehn Jahren des Betriebs der neuen Direktreduktionsanlage die Mehrkosten decken, die für die Beschaffung und Nutzung von erneuerbarem Wasserstoff anstelle von CO2-armem Wasserstoff anfallen. Die Anwendung dieses Mechanismus wird anhand der tatsächlich verbrauchten Mengen von erneuerbarem Wasserstoff und der dafür gezahlten Preise jährlich durch einen unabhängigen Sachverständigen überprüft. tkSE wird ein wettbewerbliches Ausschreibungsverfahren zur Auswahl der Wasserstofflieferanten durchführen, das von den deutschen Behörden überwacht wird.

Die neuen Anlagen sollen 2026 in Betrieb genommen werden und jährlich 2,3 Mio. Tonnen Roheisen mit geringerem CO2-Fußabdruck produzieren, also die gleiche Menge an Roheisen, die bisher konventionell im Hochofen hergestellt wird. Während der gesamten Lebensdauer des Vorhabens kann so die Freisetzung von mehr als 58 Mio. Tonnen CO2 vermieden werden. tkSE hat sich verpflichtet, das im Rahmen des Vorhabens erworbene technische Know-how aktiv an Industrie und Wissenschaft weiterzugeben.

Beihilferechtliche Würdigung der Kommission

Die Kommission hat die Maßnahmen nach den EU-Beihilfevorschriften geprüft, insbesondere nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), nach dem die EU-Mitgliedstaaten die Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige unter bestimmten Voraussetzungen fördern können. Ferner hat sie die Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2022 herangezogen.

Deutschland hat das tkSE-Vorhaben 2021 in einem offenen Verfahren für die Teilnahme an einem IPCEI für Wasserstofftechnologien und -systeme ausgewählt. Das Vorhaben von tkSE zielt darauf ab, die Treibhausgasemissionen aus seiner Stahlproduktion zu verringern. Da Beihilfen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen einschließlich der Förderung von Dekarbonisierungsvorhaben zu den Hauptkategorien von Beihilfen gehören, die nach den Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen zulässig sind, stellen diese Leitlinien die beste Grundlage für die Prüfung der Maßnahme dar.

Die Kommission gelangte zu folgendem Ergebnis:

*Die Maßnahmen tragen zur Entwicklung eines Wirtschaftszweigs bei, insbesondere zur Erzeugung von Stahl durch Prozesse mit geringeren CO2-Emissionen. Gleichzeitig unterstützen sie die Ziele wichtiger politischer EU-Initiativen wie des europäischen Grünen Deals, der EU-Wasserstoffstrategie, des Industrieplans für den Grünen Deal und des REPowerEU-Plans.
*Die Beihilfen haben einen Anreizeffekt, da der Beihilfeempfänger ohne die öffentliche Förderung nicht in die Erzeugung von grünem Stahl investieren würde.
*Sie sind erforderlich und geeignet, um die Erzeugung von grünem Stahl zu fördern. Außerdem sind sie angemessen, da die Höhe der Beihilfen dem tatsächlichen Finanzierungsbedarf entspricht.
*Im Rahmen der Maßnahmen wird durch ausreichende Vorkehrungen verhindert, dass übermäßige Wettbewerbsverfälschungen entstehen: Sollte das Vorhaben sehr erfolgreich sein und zusätzliche Nettoeinnahmen generieren, wird der Beihilfeempfänger die der erhaltenen Beihilfen teilweise an Deutschland zurückzahlen (Rückforderungsmechanismus). Ferner unterliegt das Vorhaben einer unabhängigen Überwachung, um die Fortschritte bei der sukzessiven Einstellung der Erdgasnutzung und Aufnahme der Wasserstoffnutzung zu überprüfen und zu vermeiden, dass die Beihilfen der Erhöhung der Produktionskapazität von tkSE dienen. Außerdem wird tkSE die im Rahmen des Vorhabens gewonnenen Erfahrungen und technischen Kenntnisse weitergeben.
*Für den Mechanismus der an Bedingungen geknüpften Zahlungen gelten zusätzliche Vorkehrungen. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Wasserstoffpreise zu gewährleisten und den Beihilfebetrag auf das erforderliche Minimum zu begrenzen, wird tkSE ein weithin publiziertes wettbewerbliches Ausschreibungsverfahren für erneuerbaren und CO2-armen Wasserstoff durchführen, das die deutschen Behörden überwachen.
*Die positiven Auswirkungen der Beihilfe überwiegen etwaige Verzerrungen von Wettbewerb und Handel in der EU.

Daher hat die Kommission die Beihilferegelung nach den EU-Beihilfevorschriften genehmigt.

Hintergrund

In den Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen von 2022 wird erläutert, wie die Kommission die Vereinbarkeit solcher Beihilfen, die der Anmeldepflicht nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV unterliegen, mit dem Binnenmarkt prüfen wird.

Diese neuen Leitlinien gelten seit Januar 2022 und schaffen für die Mitgliedstaaten einen flexiblen und zweckmäßigen Rahmen für Beihilfen, die die Ziele des Grünen Deals gezielt und kosteneffizient unterstützen. Die Vorschriften wurden mit den wichtigen im europäischen Grünen Deal festgelegten Zielvorgaben der EU und anderen jüngsten Änderungen von Rechtsvorschriften in den Bereichen Energie und Umwelt in Einklang gebracht und tragen der zunehmenden Bedeutung des Klimaschutzes Rechnung. Sie enthalten Abschnitte zu Beihilfen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen, u. a. durch die Förderung von erneuerbaren Energien, Energieeffizienzmaßnahmen, Beihilfen für saubere Mobilität, Infrastruktur, Kreislaufwirtschaft, die Verringerung der Umweltverschmutzung, den Schutz und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt sowie zu Maßnahmen für die Energieversorgungssicherheit.

Die Leitlinien von 2022 sollen es den Mitgliedstaaten ermöglichen, die ehrgeizigen energie- und klimapolitischen Ziele der EU zu geringstmöglichen Kosten für die Steuerzahler und ohne übermäßige Wettbewerbsverfälschungen im Binnenmarkt zu erreichen.

Mit der Mitteilung über den europäischen Grünen Deal hat die Kommission im Jahr 2019 ihre Klimaziele höher gesteckt: Die EU soll bis 2050 klimaneutral werden. Das seit Juli 2021 geltende europäische Klimagesetz, mit dem die Klimaneutralität bis 2050 als rechtsverbindliches Ziel festgelegt und die Senkung der Netto-Treibhausgasemissionen um mindestens 55 % bis 2030 als Zwischenziel eingeführt wurde, bildet die Grundlage des von der Kommission am 14. Juli 2021 vorgelegten Legislativpakets „Fit für 55“. Das Parlament und der Rat der Europäischen Union haben eine vorläufige Einigung über die Überarbeitung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie und der Energieeffizienzrichtlinie durch Einführung ehrgeizigerer jährlicher Vorgaben für den Ausbau der Erzeugung erneuerbarer Energie und die Senkung des Energieverbrauchs auf EU-Ebene erzielt. Damit wird das verbindliche Ziel der EU für erneuerbare Energien bis 2030 auf mindestens 42,5 % des Gesamtenergieverbrauchs angehoben, während das angestrebte Ziel bei 45 % liegt.

Im Juli 2020 veröffentlichte die Kommission ihre EU-Wasserstoffstrategie, in der ehrgeizige Ziele für die Erzeugung und Nutzung von sauberem Wasserstoff festgelegt wurden und mit der die Europäische Allianz für sauberen Wasserstoff ins Leben gerufen wurde, die die europäische Wasserstoffgemeinschaft (Industrie, Zivilgesellschaft, Behörden) zusammenbringt.

Im Februar 2023 veröffentlichte die Kommission einen Industrieplan für den Grünen Deal, um die Wettbewerbsfähigkeit der CO2-neutralen Industrie in Europa zu verbessern und die Klimaneutralität zu fördern.

Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, wird die nichtvertrauliche Fassung des Beschlusses über das Beihilfenregister auf der Website der GD Wettbewerb der Kommission unter der Nummer SA.105244 zugänglich gemacht.



Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *