Niederlage für Bayer im Roundup Prozess

25 März 2019

Die Neue Zürcher Zeitung berichtet am 20.03.2019
Niederlage für Bayer: US-Gericht gibt Monsanto Teilschuld für Krebserkrankung. Zum zweiten Mal hat ein Gericht in den USA geurteilt, dass das Herbizid Roundup krebsverursachend ist. Auf den deutschen Chemie- und Pharmakonzern Bayer dürften noch Tausende von Klagen zukommen. Marie-Astrid Langer, San Francisco Roundup von Monsanto gehörte jahrzehntelang zu den gängigsten Unkrautvernichtern weltweit – hier Flaschen mit dem Mittel in einem Regal in Encinitas, Kalifornien. (Bild: Mike Blake / Reuters). Eine Jury am Bundesbezirksgericht für Nordkalifornien hat am Dienstag einstimmig geurteilt, dass der Unkrautvernichter Roundup, der auf der Chemikalie Glyphosat basiert, ursächlich für die Krebserkrankung eines Mannes gewesen ist. Sie sah es als erwiesen an, dass das Produkt der Firma Monsanto, die der deutsche Chemie- und Pharmakonzern Bayer 2018 gekauft hatte, ein entscheidender Faktor dafür war, dass der heute 70-jährige Kläger Edwin Hardeman Lymphdrüsenkrebs entwickelte.

Hardeman hatte 26 Jahre lang täglich Roundup auf seinem Grundstück versprüht, um gegen besonders aggressiven Giftefeu vorzugehen. 2015 wurde bei ihm ein Non-Hodgkin-Lymphom diagnostiziert, 2016 reichte er Klage ein. Bayer argumentierte vergebens, dass nicht Roundup, sondern Hardemans Hepatitiserkrankung eine entscheidende Rolle bei der Entstehung des Lymphdrüsenkrebses gespielt habe.

Prozess in zwei Phasen
Die neun Geschworenen hatten sich vor der Entscheidung für fünf Tage zurückgezogen, um zu beraten, und hatten an einem Tag eine neuerliche Zeugenaussage von Hardeman selbst verlangt, bevor sie zu ihrem Urteil kamen. Zu Prozessbeginn bestand die Jury aus neun Personen, doch nach und nach traten Einzelne zurück – unter anderem wegen Krankheit –, so dass letztlich sechs Geschworene das Urteil fällten. Geschworene an Bundesgerichten in den USA müssen ihren Entscheid einstimmig treffen.

Der Schuldspruch ist insofern überraschend, als Beobachter davon ausgegangen waren, dass die Rahmenbedingungen des Prozesses in San Francisco günstig für Bayer seien. Der federführende Richter Vince Chhabria hatte vor Prozessbeginn Ende Februar entschieden, das Verfahren in zwei Phasen zu unterteilen: In einer ersten sollte möglichst objektiv die wissenschaftliche Frage geklärt werden, ob Roundup ursächlich für Hardemans Krebs war. Nur wenn die Geschworenen dies bejahten, dürften die Kläger in einer zweiten Phase mutmassliche Beweise dafür vorlegen, dass Monsanto versucht habe, Risiken zu verschweigen und die öffentliche Meinung zu manipulieren.

Diese Zweiteilung wurde als positiv für Bayer bewertet. Die Anwältin des Klägers hatte jedoch beim Prozessauftakt am 25. Februar wiederholt gegen die Anweisung des Richters verstossen und den Geschworenen Informationen präsentiert, die eigentlich erst für die zweite Prozessphase zugelassen waren. Sie war dafür vom Richter Chhabria heftig gerügt worden und musste eine Strafe von 500 $ entrichten.

Mehr als 11 200 Klagen warten
Es ist die zweite Niederlage, die Bayer wegen Roundup vor Gericht einsteckt. Der erste Prozess im vergangenen Sommer endete ebenfalls mit einem Schuldspruch für Bayer, und der Richter verhängte einen Schadensersatz von 289 Mio. $. Dieser wurde inzwischen auf 78,6 Mio. $ reduziert, und Bayer ist auch dagegen in Berufung gegangen. Der Ausgang ist noch offen. Bayer zeigte sich in einer Stellungnahme am Dienstag enttäuscht über das Urteil. «Wir sind sicher, dass die Beweise in der zweiten Phase zeigen werden, dass das Verhalten von Monsanto angebracht war und dass die Firma nicht haftbar für die Krebserkrankung von Herrn Hardeman gemacht werden sollte», hiess es darin.

Bereits vor dem zweiten Schuldspruch hatten mehr als 11 200 Privatpersonen, Landwirte und Landschaftsgärtner in den USA Klage gegen Bayer wegen des Unkrautvernichters eingereicht, weil Roundup bei ihnen Lymphdrüsenkrebs und andere Krebsarten hervorgerufen habe. Mehr als 760 Fälle sind allein am Bundesbezirksgericht in San Francisco pendent. Richter Chhabria hatte deswegen eine Handvoll Klagen als Testfälle ausgesucht – darunter auch den nun verhandelten Fall von Hardeman. Sogenannte «bellwether trials» sind eine Eigenheit des amerikanischen Rechtssystems bei Produkthaftungsklagen. Sie gelten als Wegweiser für künftige Fälle, etwa hinsichtlich der Frage, ob sich Kläger und Verteidiger besser aussergerichtlich einigen, welche Art von Beweisen zugelassen wird und wie hoch der Schadenersatz sein kann.

Milliardenhohe Prozesskosten

In der zweiten, voraussichtlich zwei Wochen dauernden Prozessphase wird es nun ab Mittwoch darum gehen festzulegen, welchen Schadenersatz Bayer leisten muss und inwiefern der Konzern versucht hat, die öffentliche Meinung zu manipulieren. Den Anwältinnen des Klägers liegen offenbar E-Mails vor, die zeigen sollen, wie Monsanto dies zu erreichen versuchte. Die Anwältinnen des Klägers sagten in einer Stellungnahme, sie freuten sich darauf, diese E-Mails den Geschworenen zu präsentieren: «Nun können wir uns auf die Beweise dafür konzentrieren, dass Monsanto sich bei der Beurteilung der Sicherheit von Roundup nicht verantwortungsvoll und objektiv verhalten hat.»

Experten gehen davon aus, dass die Rechtsstreitigkeiten um Roundup den Bayer-Konzern mehr als 5 Mrd. $ kosten werden, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg schreibt. Die Niederlage hat der Laune der Bayer-Aktionäre am Mittwoch einen herben Dämpfer versetzt. Der Aktienkurs brach um rund 10% auf rund 62 Euro ein. Zum Vergleich: Vor einem Jahr kosteten die Aktien noch rund 100 Euro.

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