Dr. Elke König zu den Ergebnissen des Comprehensive Assessment

28 Oktober 2014
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Meine Damen und Herren, auch ich begrüße Sie herzlich zur gemeinsamen Pressekonferenz der Deutschen Bundesbank und der BaFin. Es hätte kaum ein besseres Rahmenprogramm für uns geben können als den Frankfurt Marathon – abgesehen von den Straßensperren. 130 europäische Institute – darunter 25 deutsche – haben in den vergangenen zwölf Monaten am Prüfungsmarathon der Europäischen Zentralbank (EZB) teilgenommen – einem Marathon, der zugleich ein Hürdenlauf war.

Die EZB hat in einem Comprehensive Assessment die bilanziellen und außerbilanziellen Posten dieser Banken auf Werthaltigkeit geprüft und zudem ihre Standfestigkeit im Krisenfall getestet. Es ging darum, Transparenz zu schaffen und etwaige Altlasten und Kapitallücken aufzuspüren. Am Start waren Heerscharen von Bankmitarbeitern und in Spitzenzeiten allein in Deutschland rund 250 Aufseher und 1.700 Wirtschaftsprüfer. Diese sehr sportliche Übung hat alle Beteiligten sehr viel Zeit, Mühe und Nerven gekostet. Der berühmte Stress mit dem Stresstest.

Umso erfreulicher das Abschneiden der deutschen Teilnehmer: Fast alle haben die Ziellinie des Comprehensive Assessments erreicht, ohne auch nur eine Hürde zu reißen. Natürlich kann und sollte sich keine Bank auf ihren Lorbeeren ausruhen – mehr dazu gleich von Herrn Dombret. Aber die deutschen Institute stehen solide da. Auch unter dem strengen Blick der EZB haben ihre Bilanzen gehalten, was sie versprochen haben.

Nichts anderes hatte ich erwartet, auch wenn immer wieder anders lautende Gerüchte kursierten. Die Bilanzprüfung der EZB (Asset Quality Review – AQR) hat sie widerlegt. Und selbst im Stress-Szenario haben die Banken ihr Stehvermögen bewiesen. Sie haben demnach ausreichend Kapital, um selbst einen schweren globalen Finanzschock zu überstehen.

Eine Hürde gerissen hat lediglich die Münchener Hypothekenbank eG. Sie weist im Comprehensive Assessment eine Kapitallücke in Höhe von 229 Millionen Euro aus. Stichtag der Übung war allerdings bekanntlich der 31. Dezember 2013. Seitdem hat das Institut eine Kapitalerhöhung in Höhe von 408 Millionen Euro vorgenommen, die die Lücke ohne weiteres schließt. In Deutschland gibt es also keine Bank mit einer „Netto-Kapitallücke“.

Seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 haben die deutschen Banken viel getan, um ihre Kapitalausstattung zu verbessern. Die durchschnittliche Kernkapitalquote aller deutschen Institute hat sich seitdem von 9,2 auf 15,0 Prozent im Jahr 2014 verbessert [Jeweils Juni-Daten]. Für die deutschen Teilnehmer bestätigt das Comprehensive Assessment diese Entwicklung in eindrucksvoller Weise.

Kapitalausstattung deutlich ausgebaut

Das Umfeld war 2013 und 2014 gut, und auch die Übung der EZB hat sicherlich hier und da als Katalysator gewirkt: Neun der 25 Institute haben in diesem Jahr ihre Kapitalausstattung noch einmal deutlich ausgebaut – und zwar überwiegend dadurch, dass sie frisches Kapital am Markt aufgenommen oder Gewinne zurückbehalten haben. Einige Banken haben sich auch von Unternehmensteilen bzw. Portfolien getrennt, um ihre risikogewichteten Aktiva zu reduzieren. Zusätzliche 14,4 Mrd. Euro haben die Institute seit Jahresbeginn gehoben – das De-Leveraging noch nicht eingerechnet. Damit stehen sie in der Eurozone an der Spitze. Getrickst haben sie dabei übrigens nicht; von „weichem Kapital“ kann also keine Rede sein. Ebenso wenig davon, dass die Quoten durch Anpassungen der internen Bankmodelle verbessert worden seien, was man bekanntlich dem vorherigen Stresstest vorgeworfen hat.

Da ist es nicht verwunderlich, dass die meisten der 25 deutschen Teilnehmer schon jetzt in der Lage sind, zentrale Basel-III-Anforderungen voll zu erfüllen – und nicht erst im Jahr 2024, wie in Europa vorgesehen. Und das sogar im Stress-Szenario. 20 der 25 Banken weisen für das Stress-Szenario eine „Fully loaded“- Basel-III-Quote von über 5,5 Prozent aus. Ein ähnliches Bild ergibt sich für die Leverage Ratio, die nach den Vorstellungen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht erst ab 2018 verbindlich ist. BaFin und Bundesbank beschäftigen sich seit Jahren mit dem Thema „Vorbereitung auf Basel III“, und wir haben natürlich auch die „Fully-loaded-Zahlen“ immer im Blick gehabt – so wie es künftig auch die EZB halten wird. Auch hierzu gleich mehr von Herrn Dombret.

Noch ein paar Takte zur Bilanzprüfung und zum Stresstest, meine Damen und Herren: Bei der Bilanzprüfung weisen die deutschen Banken im gewichteten Durchschnitt einen zusätzlichen Effekt auf die harte Kernkapitalquote von gerade einmal 0,3 Prozentpunkten aus. Das ist umso bemerkenswerter, als die speziellen bankaufsichtlichen Annahmen der EZB zum Teil deutlich strenger waren, als es die geltenden Rechnungslegungsvorschriften vorschreiben oder gar zulassen würden. Es sind fast ausschließlich diese verschärften Anforderungen der EZB, die zu zusätzlichen Wertberichtigungen geführt haben. Wir haben also keinen Anlass, an der Bilanzierung der deutschen Institute oder der Arbeit der Jahresabschlussprüfer zu zweifeln.

Die prudenzielle Stoßrichtung der Übung machte sich vor allem bei den deutschen Banken bemerkbar, die größere Schiffsportfolien in ihren Büchern haben: Mit Blick auf die Prognoseunsicherheit und die hohe Volatilität des Schiffsmarktes hat die EZB zusätzliche, aufsichtlich begründete Abschläge für die Bewertung der leistungsgestörten Kredite vorgegeben. Das macht rund 30 Prozent des Gesamteffektes der Bilanzprüfung aus. Weiterer Wertberichtigungsbedarf ergab sich aus Abschlägen auf Gewerbeimmobilien und der Neubewertung von Krediten an große Geschäftskunden. Diese Wertberichtigungen sind – wie gesagt – nicht relevant für die Rechnungslegung. Sie hatten aber Einfluss auf die Startposition für den Stresstest, die entsprechend den Ergebnissen der Bilanzprüfung angepasst wurde.

Aus dem Stresstest sind die deutschen Teilnehmer – wie zu erwarten – mit leichten Blessuren hervorgegangen. Die Effekte sind hier natürlich deutlich höher als bei der Bilanzprüfung. Andernfalls wäre es aber auch kein echter Stresstest gewesen. Schließlich ging es nicht nur darum, im Basis-Szenario den Ruhepuls der Teilnehmer zu messen. Das Stress-Szenario war ein Belastungs-EKG. In diesem Szenario ist denn auch die Quote für das harte Kernkapital im Durchschnitt um 3,6 Prozentpunkte zurückgegangen. Das lag vor allem am Anstieg der risikogewichteten Aktiva durch erhöhte Kreditrisiken und den daraus resultierenden zusätzlichen Wertberichtigungen im Kreditgeschäft. Auf der Ertragsseite haben die Stressannahmen das Nettozinsergebnis wesentlich negativ beeinflusst, die Refinanzierungsannahmen waren sehr rigide. Verluste aus Handelsaktivitäten spielten eine eher untergeordnete Rolle.

Harte Probe

Und Sie dürfen eines nicht vergessen: Die EZB und die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA (European Banking Authority) haben Lehren aus dem Stresstest 2011 gezogen und die Vorgaben für den aktuellen Stresstest deutlich strenger gestaltet. So wurden die Stresstestergebnisse für die beide Szenarien nun über einen Zeitraum von drei Jahren ermittelt – 2011 waren es noch zwei Jahre. Außerdem hat man negative Entwicklungen bei Staatsanleihen berücksichtigt, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen. Kurzum: Der Stresstest hat die Banken auf eine harte Probe gestellt.

Und dennoch liegt die Kapitalausstattung der deutschen Institute selbst im Stress-Szenario deutlich über dem Minimum – wenn auch bei der Münchener Hypothekenbank eG erst nach der Kapitalerhöhung. Wenn Sie einen Blick auf die Banken der anderen Länder werfen, sehen Sie, dass der Stresseffekt in Deutschland durchaus signifikant ist. Dennoch: Die Kapitalausstattung der deutschen Institute im Stress-Szenario kann sich durchaus sehen lassen. Auch wenn natürlich hier wie überall gilt, dass für manche Banken das Polster komfortabler ist als für andere.

Aus dem Join-up, der Zusammenführung von Bilanzprüfung und Stresstest-Ergebnissen, hat sich für die deutschen Institute nur ein relativ geringer zusätzlicher Effekt ergeben, konkret eine Reduzierung der Kernkapitalquote um 0,19 Prozentpunkte. Das lag vor allem daran, dass aus der Bilanzprüfung nur vereinzelt negative Anpassungen bei Bewertungsparametern resultierten, die man dann entsprechend in den Stresstest übernommen hat (etwa bei der Ausfallwahrscheinlichkeit oder bei dem Anteil an Non-Performing Loans).

Hat sich diese aufwändige Übung nun gelohnt? Das hat sie auf jeden Fall. Die deutschen Institute haben belegt, dass sie gut kapitalisiert sind, und manch einen Zweifler widerlegt. Das Comprehensive Assessment bietet dem Markt und der breiten Öffentlichkeit Transparenz. Jeder kann nun sehen, wie widerstandsfähig die Banken in der Eurozone sind und wo noch Handlungsbedarf besteht.

Die EZB wird die Erkenntnisse aus dem Comprehensive Assessment zusammenfassen und in ihre künftige Aufsichtstätigkeit einfließen lassen. Dazu gehören auch organisatorische Fragen und Fragen der Datenverfügbarkeit. Der Erkenntnisgewinn geht also deutlich über die nackten Zahlen hinaus. Auch die deutschen Institute haben hier noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Und dass die EZB – wie auch wir zuvor – ein kritisches Auge auf die Bereiche werfen wird, die mit hohen Unsicherheiten verbunden sind, versteht sich von selbst. Übungen wie das Comprehensive Assessment sind wichtig. Auch wenn man nicht vergessen darf, dass sie aus Szenarien bestehen, die wir uns ausdenken. Wirklich schlauer macht uns nur das wahre Leben.

Ohne die Expertise der nationalen Aufseher könnte der Einheitliche Aufsichtsmechanismus nicht funktionieren

Bevor ich nun an Herrn Dombret übergebe, noch eine Bemerkung zum Schluss: In wenigen Tagen werden wir die Aufsichtsverantwortung für 21 der 25 geprüften deutschen Banken in die Hände der EZB legen. Es freut mich, dass diese Banken ohne unmittelbaren Handlungsbedarf in die neue Aufsichtswelt eintreten. Welche Rolle werden wir nationalen Aufseher spielen, nachdem am 4. November der Startschuss für die neue Aufsicht gefallen ist? Eine Statistenrolle? Sicher nicht. Eine Nebenrolle? Schon eher, aber eine gewichtige. Ohne die Expertise der nationalen Aufseher könnte der Einheitliche Aufsichtsmechanismus nicht funktionieren.

Als Mitglieder der Joint Supervisory Teams werden BaFin und Bundesbank an der Aufsicht über die bedeutenden Institute der gesamten Euro-Zone mitwirken. Auch im Supervisory Board, dem obersten operativen Gremium der künftigen europäischen Aufsicht, haben wir ein entscheidendes Wort mitzureden. Internationale Hahnenkämpfe werden wir dort allerdings nicht aufführen. Alle Board-Mitglieder sind verpflichtet, im Interesse der Union zu handeln. Ich sehe den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus als Chance für Europa und für uns. Da gehört es dazu, dass sich der Einheitliche Aufsichtsmechanismus zum Ziel setzt, die nationalen Unterschiede zu adressieren, die das Comprehensive Assessment aufgedeckt hat.

Dass die nationalen Aufseher für die weniger bedeutenden Institute ihre bisherigen Zuständigkeiten und Befugnisse behalten, ist nur vernünftig. Die EZB muss und wird allerdings dafür sorgen, dass auch diese Institute in allen Euroländern nach einheitlich hohen Standards beaufsichtigt werden. Wir werden ihr daher regelmäßig über unsere Aufsichtstätigkeit berichten. Ein konkretes Weisungsrecht für einzelne Maßnahmen hat die EZB uns gegenüber zwar nicht. Sollten nationale Aufseher aber die gemeinsamen Aufsichtsstandards verletzten, kann sie die Aufsicht über ein weniger bedeutendes Institut komplett übernehmen. Es ist an uns, es soweit gar nicht erst kommen zu lassen.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf die Äußerungen von Herrn Dombret. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Sie haben das Wort.

Quelle: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin
Weitere Informationen unter www.bafin.de



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